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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Zusammenfassung des Urteils IV 2014/426: Versicherungsgericht

Der Beschwerdeführer hat sich im Dezember 2010 für IV-Leistungen angemeldet. Nach verschiedenen psychiatrischen Behandlungen wurde ihm eine Arbeitsfähigkeit von 50% prognostiziert. Die IV-Stelle bewilligte eine berufliche Abklärung, bot ihm eine Anstellung an, distanzierte sich jedoch später aufgrund eines Verkehrsunfalls und negativem Kundenfeedback. Der Versicherte nahm eine neue Erwerbstätigkeit auf, lehnte aber weiterhin Kontakt zur IV-Stelle ab. Nach weiteren psychiatrischen Diagnosen und Gutachten wurde sein Rentengesuch abgelehnt. Der Beschwerdeführer erhob Klage und das Gericht sprach ihm ab Juni 2011 eine ganze Rente und ab Februar 2014 eine halbe Rente zu.

Urteilsdetails des Kantongerichts IV 2014/426

Kanton:SG
Fallnummer:IV 2014/426
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:IV - Invalidenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid IV 2014/426 vom 19.12.2016 (SG)
Datum:19.12.2016
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 28 IVG und Art. 7 ATSG. Rentenanspruch. Die depressive Störung bewirkt eine aus objektiver Sicht nicht überwindbare Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 19. Dezember 2016, IV 2014/426).
Schlagwörter : IV-act; Arbeit; Rente; Arbeitsfähigkeit; Invalidität; Störung; Quot; Gutachter; IV-Stelle; Invaliditätsgrad; Arbeitsunfähigkeit; Leiden; Beurteilung; Anspruch; Verfügung; Behandlung; Rentengesuch; Erwerbsunfähigkeit; Gesundheit; Parteien; Episode; %igen; MEDAS; Beschwerdeführers; Hinweis; Gericht; Achtung; Schmerzstörung
Rechtsnorm:Art. 16 ATSG ;Art. 7 ATSG ;Art. 8 ATSG ;
Referenz BGE:125 V 261; 125 V 352; 130 V 352; 134 V 145; 141 V 281;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts IV 2014/426

Besetzung

Präsidentin Lisbeth Mattle Frei, Versicherungsrichter Ralph Jöhl, Versicherungsrichterin Marie-Theres Rüegg Haltinner; Gerichtsschreiber Philipp

Geertsen Geschäftsnr. IV 2014/426

Parteien

A. ,

Beschwerdeführer,

vertreten durch Advokat lic. iur. Martin Boltshauser, c/o Procap Schweiz, Frohburgstrasse 4, Postfach, 4601 Olten,

gegen

IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,

Beschwerdegegnerin,

Gegenstand Rente Sachverhalt A.

    1. A. meldete sich am 16. Dezember 2010 zum Bezug von IV-Leistungen an (IVact. 3). Nach Beendigung der vom 18. Oktober 2010 bis 5. März 2011 dauernden stationären psychiatrischen Behandlung in der Klinik B. (siehe hierzu den Bericht vom 3. März 2011, IV-act. 17-8 f.) nahm der Versicherte eine psychiatrische Behandlung in der Tagesklinik des Psychiatrie-Zentrums C. in Anspruch. Die dort behandelnden medizinischen Fachpersonen diagnostizierten eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (ICD-10: F33.1), eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10: F45.4) und einen Verdacht auf eine schizoaffektive Störung (ICD-10: F25.1). Bei günstigem Verlauf könne in ca. 2 bis 3 Monaten mit einer 50%igen Arbeitsfähigkeit gerechnet werden (Bericht vom 28. Juni 2011, IV-act. 17). Anlässlich des FI-Gesprächs vom 29. August 2011 gab die in der Tagesklinik behandelnde Dr. med. D. , Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, gegenüber RAD-Arzt E. , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, an, der Versicherte befinde sich noch in teilstationärer Behandlung. Er sei motiviert und wolle wieder arbeiten. Aktuell sei eine 50%ige Arbeitsleistung zu erwarten, die sich bei möglicher Verbesserung des Gesundheitszustands noch weiter steigern lasse (Protokoll vom 30. August/6. September 2011, IV-act. 28).

    2. Am 2. März 2012 erteilte die IV-Stelle dem Versicherten Kostengutsprache für eine

      vom 20. Dezember 2011 bis 19. März 2012 dauernde berufliche Abklärung bei der

      F. AG (IV-act. 42; zu den Taggeldverfügungen vom 8. Mai 2012 siehe IV-act. 54 f.). Für die Zeit ab 20. März 2012 bot die F. AG dem Versicherten eine Anstellung an. Die IV-Stelle sicherte hieran Einarbeitungszuschüsse für die Dauer vom 1. April bis 27. September 2012 zu (IV-act. 50). Nach Unterzeichnung des Arbeitsvertrages distanzierte

      sich die F. AG von einer Anstellung, da der Versicherte einen Verkehrsunfall und Fahrerflucht begangen habe. Zudem seien teilweise verheerende Rückmeldungen von Kunden über das Verhalten des Versicherten gekommen (ELAR-Notiz vom 19. März 2012, IV-act. 51). Am 11. Juni 2012 nahm der Versicherte eine neue Erwerbstätigkeit auf (IV-act. 57) und lehnte eine Kontaktaufnahme seitens der IV-Stelle mit der Arbeitgeberin ab. Daraufhin schloss die Eingliederungsverantwortliche die berufliche Eingliederung ab (Schlussbericht vom 19. Juli 2012, IV-act. 60). In der Mitteilung vom

      30. Juli 2012 wies die IV-Stelle das Leistungsbegehren um berufliche Massnahmen und Rentenleistungen ab (IV-act. 63).

    3. Die in der Klinik B. behandelnden Psychiaterinnen teilten der IV-Stelle am 5. Oktober 2012 mit, aufgrund einer depressiv-psychotischen Dekompensation bei akuter Überlastung und Überforderung in der Arbeit sei der Versicherte freiwillig in die geschlossene Akutstation eingetreten und dort behandelt worden. Nachdem sich sein Zustand stabilisiert gehabt habe, sei er auf eine offen geführte Station verlegt worden. Die Psychiaterinnen diagnostizierten einen Verdacht auf schizoaffektive Störung, gegenwärtig depressiv (ICD-10: F25.1), ein organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma (ICD-10: F07.2) und eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10: F45.41; IV-act. 64; vgl. auch den undatierten Austrittsbericht [Datum Eingang IV-Stelle am 12. Dezember 2012], IV-act. 80). Auf Empfehlung der Klinik B. (IV-act. 64) meldete sich der Versicherte am 22. Oktober 2012 erneut an zum IV-Leistungsbezug (IV-act. 68).

    4. Am 26. März 2013 berichteten die im Ambulatorium am Psychiatrie-Zentrum C. behandelnden Ärzte, der Versicherte leide u.a. an einer schweren depressiven Episode mit (fallweiser) psychotischer Symptomatik und wiederkehrenden Suizidgedanken

      (ICD-10: F32.3). Der bisherige Verlauf zeige, dass in absehbarer Zeit nicht mit einer Wiedererlangung einer Arbeitsfähigkeit im ersten Arbeitsmarkt gerechnet werden könne (IV-act. 84). Am 16. April 2013 wies die IV-Stelle das Gesuch um berufliche Massnahmen ab, da solche aufgrund des Gesundheitszustands nicht möglich seien

      (IV-act. 88).

    5. Der Versicherte wurde im Auftrag der IV-Stelle in der Zeit vom 28. bis 31. Oktober

      2013 in der MEDAS Ostschweiz polydisziplinär (neurologisch, neuropsychologisch,

      orthopädisch, allgemeininternistisch und psychiatrisch) begutachtet. Die Gutachter diagnostizierten mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit: eine rezidivierende depressive Störung (ICD-10: F33.11), gegenwärtig mittelgradige Episode mit somatischem Syndrom; eine leichte kognitive Störung (ICD-10: F06.70); eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10: F45.41). Für leidensangepasste Tätigkeiten bescheinigten sie dem Versicherten eine Arbeitsfähigkeit von 50% bis 60%. Bezogen auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Gemüserüster und Verteiler sei der Versicherte höchstens zu 20 bis 30% arbeitsfähig (Gutachten vom 18. Dezember 2013, IV-act. 109; siehe auch die ergänzende Stellungnahme des psychiatrischen Gutachters vom 21. März 2014, IV-act. 112).

    6. Gestützt auf eine Stellungnahme des Rechtsdienstmitarbeiters vom 24. April 2014, worin ein invalidisierender Gesundheitsschaden verneint wurde (IV-act. 114-2 f.), stellte die IV-Stelle dem Versicherten die Abweisung des Rentengesuchs in Aussicht (Vorbescheid vom 9. Mai 2014, IV-act. 118). Dagegen erhob der Versicherte am 11. Juli 2014 Einwand (IV-act. 125). Am 24. Juli 2014 verfügte die IV-Stelle die Abweisung des Rentengesuchs (IV-act. 126).

B.

    1. Gegen die Verfügung vom 24. Juli 2014 richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 15. September 2014. Der Beschwerdeführer beantragt darin unter Kostenund Entschädigungsfolge deren Aufhebung und die Zusprache einer Invalidenrente. Eventualiter sei die Angelegenheit zu weiteren Abklärungen an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Im Wesentlichen bringt er vor, es bestehe kein Anlass, bei der Bestimmung der Invalidität von der gutachterlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit abzuweichen (act. G 1).

    2. Die Beschwerdegegnerin beantragt in der Beschwerdeantwort vom 24. Oktober 2014 die Abweisung der Beschwerde. Sie hält am Standpunkt fest, dass weder die depressive Störung noch die Schmerzstörung eine invalidenversicherungsrechtlich relevante Einschränkung der Erwerbsfähigkeit begründeten (act. G 5).

    3. Mit Präsidialentscheid vom 3. November 2014 wird dem Gesuch des Beschwerdeführers um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege (Befreiung von den Gerichtskosten und Bewilligung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung) entsprochen (act. G 7).

    4. In der Replik vom 3. Dezember 2014 hat der Beschwerdeführer unverändert an

      den gestellten Anträgen festgehalten (act. G 9).

    5. Die Beschwerdegegnerin hat auf eine Duplik verzichtet (act. G 11).

Erwägungen

1.

Zwischen den Parteien umstritten und nachfolgend zu prüfen ist der Rentenanspruch des Beschwerdeführers.

    1. Zunächst ist der Beurteilungsgegenstand in zeitlicher Hinsicht festzulegen. Der Beschwerdeführer meldete sich am 16. Dezember 2010 zum Leistungsbezug an (IVact. 3). Mit Mitteilung vom 30. Juli 2012 wies die Beschwerdegegnerin u.a. das Rentengesuch des Beschwerdeführers ab (IV-act. 63). Sie verletzte damit Art. 49 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1), wonach der Versicherungsträger über Leistungen, Forderungen und Anordnungen, die erheblich sind mit denen die betroffene Person nicht einverstanden ist, schriftlich eine Verfügung zu erlassen hat. Die Voraussetzungen, die ausnahmsweise einen Entscheid in Mitteilungsform zulassen (siehe hierzu Art. 58 des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung [IVG; SR 831.20] i.V.m. Art. 74ter der Verordnung über die Invalidenversicherung [IVV; SR 831.201]), sind nicht erfüllt. In BGE 134 V 145 hat das Bundesgericht die Frist für die Infragestellung eines formwidrigen Entscheids durch die betroffene Person für den Regelfall auf ein Jahr festgelegt. Im Zeitpunkt vom 22. Oktober 2012, als der Beschwerdeführer unter Hinweis auf das seit 8 Jahren bestehende Leiden (IV-act. 68-5) sein Leistungsbegehren wiederholte, hatte die Mitteilung vom 30. Juli 2012 noch keine Rechtswirksamkeit erlangt. Die Beschwerdegegnerin wäre daher gehalten gewesen, falls sie an der formwidrigen Abweisung des Rentengesuchs hätte festhalten wollen, eine anfechtbare Verfügung zu

      erlassen. Dass der damals nicht rechtskundig vertretene Beschwerdeführer die mitgeteilte Abweisung des Rentengesuchs akzeptiert hätte, macht die Beschwerdegegnerin nicht geltend und ergibt sich auch nicht aus den Akten. Der Beschwerdeführer ging im Einwand vom 11. Juli 2014 vielmehr davon aus, dass Gegenstand des Vorbescheids vom 9. Mai 2014 sein "im Dezember 2010" angemeldetes Rentengesuch bilde (IV-act. 125-1). Da über das am 16. Dezember 2010 geltend gemachte Rentengesuch bislang nicht rechtskräftig entschieden worden ist, bildet dieses zwangsläufig Gegenstand der angefochtenen Verfügung und des vorliegenden Beschwerdeverfahrens.

    2. Unter Invalidität wird die voraussichtlich bleibende längere Zeit dauernde ganze teilweise Erwerbsunfähigkeit verstanden (Art. 8 Abs. 1 ATSG). Erwerbsunfähigkeit ist dabei der durch eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 7 Abs. 1 ATSG). Für die Beurteilung des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit sind ausschliesslich die Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zu berücksichtigen. Eine Erwerbsunfähigkeit liegt zudem nur vor, wenn sie aus objektiver Sicht nicht überwindbar ist (Art. 7 Abs. 2 ATSG). Der Grad der für einen allfälligen Rentenanspruch massgebenden Invalidität wird gemäss Art. 16 ATSG durch einen Einkommensvergleich ermittelt, bei dem das Einkommen, das die versicherte Person nach dem Eintritt der Invalidität und nach der Durchführung der notwendigen und zumutbaren Eingliederungsmassnahmen bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (zumutbares Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt wird zum Einkommen, das die versicherte Person erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Valideneinkommen).

    3. Die Rentenabstufungen nach Art. 28 Abs. 2 IVG geben bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40% Anspruch auf eine Viertelsrente, bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 50% Anspruch auf eine halbe Rente, bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 60% Anspruch auf eine Dreiviertelsrente und bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 70% Anspruch auf eine ganze Rente.

    4. Um den Invaliditätsgrad bemessen zu können, ist die Verwaltung und im Beschwerdefall das Gericht auf Unterlagen angewiesen, die ärztliche und gegebenenfalls auch andere Fachleute zur Verfügung zu stellen haben. Aufgabe des Arztes der Ärztin ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist (BGE 125 V 261 E. 4). Hinsichtlich des Beweiswerts eines Arztberichts ist entscheidend, ob der Bericht für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten abgegeben worden ist, in der Darlegung der medizinischen Zusammenhänge und in der Beurteilung der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen des Experten begründet sind (BGE 125 V 352 E. 3a).

2.

Zunächst ist die Frage zu beurteilen, ob der Sachverhalt in medizinischer Hinsicht spruchreif abgeklärt worden ist. Bei der Würdigung des MEDAS-Gutachtens fällt ins Gewicht, dass es auf eigenständigen, polydisziplinären Abklärungen beruht und für die streitigen Belange umfassend ist. Die medizinischen Vorakten wurden verwertet und die vom Beschwerdeführer geklagten Beschwerden berücksichtigt und plausibel sowie konsistent gewürdigt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass objektiv wesentliche Tatsachen nicht berücksichtigt worden wären. Weder der Beschwerdeführer noch die Beschwerdegegnerin stellen die Beweiskraft der gutachterlichen Beurteilung in Frage. Letztere begründet das Abweichen von der gutachterlich bescheinigten Arbeitsfähigkeit ausschliesslich mit einer rechtlichen Sichtweise, "ohne dass der Beweiswert des MEDAS-Gutachtens dadurch als Ganzes geschmälert würde" (act. G 5, Rz 8; siehe auch act. G 5, Rz 3, erster Satz). Hinweise für eine in der Zeit nach der Begutachtung im Oktober 2013 bis zum Verfügungserlass eingetretene gesundheitliche Veränderung ergeben sich weder aus den Akten noch aus den Ausführungen der Parteien.

3.

Des Weiteren ist die umstrittene invalidenversicherungsrechtliche Erheblichkeit der gutachterlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit zu prüfen.

    1. Grundsätzlich bedarf es nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung für die Annahme eines invalidisierenden Gesundheitsschadens einer fachärztlichen, lege artis auf die Vorgaben eines Klassifikationssystems abgestützten Diagnose. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung dürfe sich dabei die Verwaltung - und im Streitfall das Gericht

      weder über die den beweisrechtlichen Anforderungen genügenden medizinischen Tatsachenfeststellungen hinwegsetzen noch sich die ärztlichen Einschätzungen und Schlussfolgerungen zur (Rest-)Arbeitsfähigkeit unbesehen ihrer konkreten sozialversicherungsrechtlichen Relevanz und Tragweite zu eigen machen. Die rechtsanwendenden Behörden hätten mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob die ärztliche Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit auch invaliditätsfremde Gesichtspunkte (insbesondere psychosoziale und soziokulturelle Belastungsfaktoren) mitberücksichtige, die vom sozialversicherungsrechtlichen Standpunkt aus unbeachtlich seien. Wo psychosoziale Einflüsse das Bild prägen würden, sei bei der Annahme einer rentenbegründenden Invalidität Zurückhaltung geboten (Urteil des Bundesgerichts vom 30. März 2011, 9C_1041/2010, E. 5.1 mit Hinweisen).

    2. Die Beschwerdegegnerin bestreitet das Vorliegen eines selbstständigen

      depressiven Leidens (act. G 5, Rz 6).

      1. Der Standpunkt der Beschwerdegegnerin erweist sich als aktenwidrig. Der psychiatrische MEDAS-Gutachter hat schlüssig aufgezeigt, dass es sich bei der rezidivierenden depressiven Störung um eine ausgewiesene Komorbidität handle (IVact. 109-28; siehe zum Wesen und der Wirkungsweise des depressiven Leidens auch die ergänzende Stellungnahme des psychiatrischen Gutachters vom 21. März 2014, IVact. 112). Er führte aus, ob es sich um eine primäre depressive Störung um eine, seinerzeit reaktive Störung, die sich nach einer Anpassungsstörung verselbstständigt habe, handle, sei schwer zu beurteilen. Gegenwärtig handle es sich jedoch um eine komorbide, von der somatoformen Störung unabhängige Erkrankung (IV-act. 109-27 unten). Es kann keine Rede davon sein, das depressive Leiden sei blosser Ausfluss eines somatoformen Leidens. In tatsächlicher Hinsicht ist damit erstellt, dass die depressive Störung eine eigenständige psychische Krankheit mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit ist. Insbesondere stellt sie nicht bloss eine Begleiterscheinung einer Schmerzkrankheit dar. Weder aus den Ausführungen der Beschwerdegegnerin (act. G 5, Rz 6) noch den übrigen Akten gehen Anhaltspunkte hervor, welche die

        invalidisierende Wirkung der depressiven Störung in Frage stellen. Zu beachten ist sodann, dass das depressive Leiden an erster Stelle in der Diagnoseliste aufgeführt ist (zur Ordnung der Diagnosen nach Wertigkeit vgl. Leitlinien der Schweizerischen Ärztegesellschaft für Rheumatologie für die Begutachtung rheumatologischer Krankheiten und Unfallfolgen, in: Schweizerische Ärztezeitung, 2007;88: 17, S. 739) und der psychiatrische Gutachter zum Schluss gelangte, die rezidivierende depressive Störung sei von erheblicher Schwere, Intensität, Ausprägung und Dauer (IV-act. 109-28 unten).

      2. Für die Erheblichkeit des depressiven Leidens spricht sodann, dass der Beschwerdeführer in der Vergangenheit an schweren depressiven Episoden litt (siehe zur Entwicklung und zum Verlauf des Leidens IV-act. 109-26 f. und -39), die nebst ambulanten, wiederholt zu längeren stationären und teilstationären psychiatrischen Behandlungen führten. Darauf wies der psychiatrische Gutachter bei der Ressourcenprüfung ausdrücklich hin (IV-act. 109-28). Der gemessene Blutspiegel lag im therapeutischen Bereich (IV-act. 128-1). Sodann wurden die vom psychiatrischen Gutachter berücksichtigten kognitiven Einschränkungen neuropsychologisch bestätigt. Die Symptomvalidierung sei unauffällig gewesen. Die Einschränkungen bzw. Befunde seien damit als "objektiv" zu werten (IV-act. 112-2). Nicht ausser Acht gelassen werden kann ferner der Hinweis des psychiatrischen Gutachters, dass sich eine ausgewiesene kognitive Störung und eine depressive Störung gegenseitig verstärken können (IV-act. 112-2 unten). Es besteht daher kein Grund, von der vom psychiatrischen Experten unter Einbezug der beweiskräftigen neuropsychologischen Beurteilung vorgenommenen Arbeitsfähigkeitsschätzung abzuweichen.

    3. Die Beschwerdegegnerin vertritt ferner die Betrachtungsweise, dass die

      Schmerzstörung keine invalidisierende Wirkung zeitige (act. G 5, Rz 8).

      1. Wie in der ergänzenden Stellungnahme des psychiatrischen Gutachters vom 21. März 2014 schlüssig aufgezeigt wird (IV-act. 112) und von RAD-Arzt E. nicht in Zweifel gezogen wurde (IV-act. 113-4), begründen die depressive Störung und die neuropsychologisch objektivierten kognitiven Defizite bereits die bescheinigte 40 bis 50%ige Arbeitsunfähigkeit. Dem somatoformen Leiden kommt daher keine darüber hinausgehende Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit zu. Unter diesen Umständen

        bleibt die Frage, ob das somatoforme Leiden bzw. die daraus resultierende Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit eine Erwerbsunfähigkeit im Sinn von Art. 7 Abs. 2 ATSG darstellen, ohne Relevanz für die Invalidität.

      2. Der Vollständigkeit halber bleibt zu ergänzen, dass die Beschwerdegegnerin aus ihren Ausführungen zu den Foersterkriterien und der Überwindbarkeitsvermutung gemäss BGE 130 V 352 (act. G 5, Rz 4 ff.) nichts zu ihren Gunsten abzuleiten vermag. Inzwischen ist auch das Bundesgericht von dieser Auffassung abgerückt (BGE 141 V 281). Entscheidend ist sodann, dass die MEDAS-Gutachter eine konsistente und plausible Beurteilung vorgenommen haben. Diese umfasste namentlich eine ausführliche Prüfung der Handicaps, der erhaltenen Funktionen/Ressourcen und der Alltagsaktivitäten des an einem vielschichtigen Krankheitsbild leidenden Beschwerdeführers (siehe IV-act. 109-26 f., IV-act. 109-28 und IV-act. 109-46 f.). Die Prüfung ergab nur geringe Ressourcen und diverse erhebliche Handicaps (IV-act.

109-47 oben). Darauf ist zu verweisen. Hinzu kommt, dass keine Hinweise auf Inkonsistenzen auf ein aggravatorisches Verhalten bestehen, namentlich auch nicht in Bezug auf die wahrgenommenen therapeutischen Massnahmen. Vielmehr zeigte sich der Beschwerdeführer "nicht bemüht", den psychiatrischen Gutachter "besonders zu überzeugen zu beeindrucken" (IV-act. 109-26). Die Selbsteinschätzung des Beschwerdeführers deckte sich sodann mit der gutachterlichen Beurteilung (IV-act. 109-47). Anlässlich der neuropsychologischen Untersuchung zeigte sich keine Auffälligkeit bei der Symptomvalidierung (IV-act. 109-57). Die Untersuchung des Medikamentenspiegels ergab, dass der Beschwerdeführer antidepressiv und antipsychotisch "mit genügenden therapeutischen Blutspiegeln" behandelt war (IV-act. 112-1).

3.4 Vor diesem Hintergrund ist bei der Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit auf die beweiskräftige gutachterliche Arbeitsfähigkeitsschätzung abzustellen. Demnach ist bezogen auf die angestammte Tätigkeit seit 31. März 2008 von einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit auszugehen. Für eine leidensangepasste Tätigkeit verfügt der Beschwerdeführer spätestens seit der Begutachtung und damit seit Oktober 2013 über eine 55%ige Arbeitsfähigkeit (IV-act. 48; zum Abstellen auf den Mittelwert siehe Urteil des Bundesgerichts vom 20. August 2009, 9C_193/2009, E. 1.3.1 mit Hinweis). Bezüglich des vor der Begutachtung liegenden Zeitraums ist zu beachten, dass der

psychiatrische Gutachter wegen der früher bestehenden schweren depressiven Episode von einem schlechteren Gesundheitszustand und geringeren Arbeitsfähigkeit ausging (IV-act. 109-30 und IV-act. 109-44). Die früher wiederholt aufgetretenen mittelschweren und schweren depressiven Episoden bestätigte er (IV-act. 109-44). Eine retrospektive Konkretisierung der Arbeitsfähigkeit nahm er allerdings nicht vor. Daher und da der Beschwerdeführer nach der IV-Anmeldung vom 16. Dezember 2010 teilweise teilstationär sowie stationär behandelt wurde, ist zumindest für die Zeit ab 1. Juni 2011 (6 Monate nach der Anmeldung) bis Ende September 2013 auch für eine leidensangepasste Tätigkeit grundsätzlich von einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit bezogen auf den ersten Arbeitsmarkt auszugehen (zur stationären Behandlung vom 9. August bis 2. November 2012 siehe IV-act. 80; zur teilstationären Behandlung im Psychiatrie-Zentrum C. siehe IV-act. 17 und IV-act. 28, die in diesem Bericht prognostizierte 50%ige Arbeitsfähigkeit erwies sich in der Folge als zu optimistisch, wie der Verlauf der beruflichen Massnahmen zeigte). Diese Einschätzung wird durch die Beurteilung des RAD bestätigt, wonach "aktuell gestützt auf die Angaben der Behandler bis auf weiteres bei diesem Versicherten nicht von einer verwertbaren Arbeitsfähigkeit auf dem freien Arbeitsmarkt ausgegangen werden kann" (Eintrag vom

11. April 2013, IV-act. 86-3; siehe auch IV-act. 84). In dieses Bild passt auch, dass die Anstellung sowohl bei der F. AG (IV-act. 51) als auch die am 11. Juni 2012 aufgenommene Anstellung scheiterten (vgl. IV-act. 60-1 und IV-act. 61).

4.

Zu bestimmen bleibt die Erwerbsunfähigkeit bzw. der Invaliditätsgrad ausgehend von einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit bis Ende September 2013 und von einer 55%igen Arbeitsfähigkeit ab Oktober 2013. Der als Hilfsarbeiter zu qualifizierende Beschwerdeführer erzielte vor Eintritt der längerdauernden Arbeitsunfähigkeit erheblich schwankende Einkommen und bezog phasenweise Arbeitslosenentschädigung (siehe den IK-Auszug in IV-act. 39). Mangels aussagekräftiger Grundlage für die Bestimmung des Valideneinkommens ist zur Bestimmung des Invaliditätsgrads ein Prozentvergleich angezeigt. Diesfalls entspricht der Invaliditätsgrad dem Grad der Arbeitsunfähigkeit unter Berücksichtigung des Abzuges vom Tabellenlohn. Zu klären ist damit lediglich noch die Frage nach der Höhe des Tabellenlohnabzugs bei der Bestimmung des Invalideneinkommens. Der Beschwerdeführer kann seine Restarbeitsfähigkeit lediglich

noch teilzeitlich verwerten (IV-act. 109-48). Allein schon deshalb erscheint ein Abzug von 10% gerechtfertigt. Es kann offen bleiben, ob aufgrund der zusätzlichen erheblich einschränkenden qualitativen Anforderungen an eine leidensangepasste Tätigkeit allfälliger weiterer lohnwirksamer Nachteile der Tabellenlohnabzug zu erhöhen ist. Denn selbst wenn dies bejaht und der höchstzulässige Tabellenlohnabzug von 25% gewährt würde, bliebe dies ohne Auswirkung auf die Rentenhöhe. Für den Zeitraum bis Ende September 2013 resultiert ein 100%iger Invaliditätsgrad. Für die Zeit danach ergeben sich ausgehend von einer 45%igen Arbeitsunfähigkeit und einem Tabellenlohnabzug von 10% bzw. 25% ein Invaliditätsgrad von gerundet 51% (45% + [55% x 10%]) bzw.

ein Invaliditätsgrad von aufgerundet 59% (45% + [55% x 25%]). Der Beschwerdeführer hat damit gemäss Art. 29 Abs. 1 IVG für die Zeit ab 1. Juni 2011 Anspruch auf eine ganze Rente und in Nachachtung von Art. 88a Abs. 1 IVV aufgrund der ab MEDASUntersuchung im Oktober 2013 bestehenden 55%igen Arbeitsfähigkeit ab 1. Februar 2014 Anspruch auf eine halbe Rente. Im Zeitraum vom 20. Dezember 2011 bis 19. März 2012 bezog der Beschwerdeführer Taggeldleistungen der Beschwerdegegnerin (IV-act. 54 f.). Dem entsprechenden intrasystemischen Koordinationsbedarf wird sie daher bei der Leistungsausrichtung Rechnung zu tragen haben (vgl. Art. 47 Abs. 1ter IVG).

5.

    1. Nach dem Gesagten ist die angefochtene Verfügung vom 24. Juli 2014 aufzuheben und dem Beschwerdeführer für die Dauer vom 1. Juni 2011 bis 31. Januar 2014 eine ganze und für die Zeit ab 1. Februar 2014 eine halbe Rente zuzusprechen. Die Sache ist zur Festsetzung und Ausrichtung der geschuldeten Leistungen im Sinn der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.

    2. Das Beschwerdeverfahren ist kostenpflichtig. Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von Fr. 200.-bis Fr. 1'000.-festgelegt (Art. 69 Abs. 1bis IVG). Eine Gerichtsgebühr von Fr. 600.-erscheint in der vorliegend zu beurteilenden Angelegenheit als angemessen. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend ist sie vollumfänglich der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen.

    3. Gemäss Art. 61 lit. g ATSG hat die obsiegende beschwerdeführende Partei Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Die Parteientschädigung wird vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen. In der Verwaltungsrechtspflege beträgt das Honorar vor Versicherungsgericht nach Art. 22 Abs. 1 lit. b HonO (sGS 963.75) pauschal Fr. 1'000.-bis Fr. 12'000.--. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers hat keine Honorarnote eingereicht. Im hier zu beurteilenden Fall erscheint eine pauschale Parteientschädigung von Fr. 3'500.-- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) als angemessen. Bei diesem Ausgang erübrigt sich die Festsetzung einer Entschädigung aus der gewährten unentgeltlichen Rechtsverbeiständung (act. G 7).

Entscheid

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP

1.

In Gutheissung der Beschwerde wird die angefochtene Verfügung vom 24. Juli 2014 aufgehoben und dem Beschwerdeführer für die Dauer vom 1. Juni 2011 bis 31. Januar 2014 eine ganze und für die Zeit ab 1. Februar 2014 eine halbe Rente zugesprochen. Die Sache wird zur Festsetzung und Ausrichtung der geschuldeten Leistungen im Sinn der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.

2.

Die Beschwerdegegnerin bezahlt eine Gerichtsgebühr von Fr. 600.--.

3.

Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 3'500.-- (einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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